Rückblick Zukunftsforums Energie & Klima 2022

Im Rahmen des diesjährigen Zukunftsforums Energie & Klima, das erstmals wieder in Präsenz in Kassel stattfand, veranstaltete das House of Energy das Forum „Fit for 55 – Was bedeutet die Dekarbonisierungsstrategie der EU für Unternehmen?“ (F14) und thematisierte, wie die Umsetzung des neuen europäischen Rechtsrahmens zum Green Deal vor Ort gelingen kann.

Prof. Dr. Peter Birkner, Geschäftsführer des House of Energy, begrüßte die rund 30 Teilnehmenden und hielt eine Einführung in das Thema. Er erläuterte die Randbedingungen zur Transformation unseres Energiesystems und ging dabei auf die Aspekte Zeitdruck, notwendige Umsetzungsgeschwindigkeit und Herausforderungen bezüglich Machbarkeit, Ressourcenbedarf und Logistik ein. Der Green Deal der EU-Kommission im Jahr 2019 besagt, dass unser Kontinent bis 2050 klimaneutral werden soll. Konkretisiert wurde dieser Klimapakt im Jahr 2021 mit dem Europäischen Klimagesetz „Fit for 55“, welches das Ziel, die Treibhausgase in der EU bis 2030 (gegenüber 1990) um mindestens 55 % zu senken zu einer rechtlichen Verpflichtung macht.

Anschließend gaben Vertreter aus dem Mitgliederkreis des House of Energy Einblicke in die Perspektiven seitens Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Dr. Olaf Däuper, Vertreter und Partner der auf die Energiewirtschaft spezialisierten Rechtsberatung Becker Büttner Held, skizzierte zusammenfassend, was sich hinter „Fit for 55“ verbirgt und was dies konkret für Unternehmen und Kommunen bedeutet.  Letztlich gehe es um eine gänzliche Neuausrichtung der europäischen Energiewirtschaft und Industrie bei Integration der verschiedenen Sektoren. Dies drücke sich aus in:

  • CO2-Bepreisung
  • Verschärfung der Zielvorgaben
  • Neue Vorgaben im Verkehr
  • Neue Vorgaben für Gebäude
  • Finanzierung
  • Dekarbonisierung des Gasmarktes

Die Verordnungen zu diesem ambitionierten Ziel wirkten sich direkt auf Unternehmen aus. Unternehmen seien nicht nur mit zahlreichen neuen gesetzlichen Verpflichtungen/Regularien (stärkere Limitation von CO2-Zertifikaten, EE-Vorgaben etc.) konfrontiert, sondern auch mit einem sich wandelnden Unternehmensumfeld. Dies mache eine systematische, ganzheitliche Befassung mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Unternehmen notwendig und erfordere eine strategische Planung und Umsetzung des Transformationsprozesses. Auch für Kommunen und kommunale Unternehmen gebe es direkte Auswirkungen aufgrund der (Selbst-)Verpflichtung des Staates zur Klimaneutralität. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien werde zum wichtigen Handlungsfeld. Eine kommunale Wärmeplanung sei als zentrales Instrument für die Wärmewende und Sektorenkopplung zu verankern. Weiterhin erfordere die lokale Verkehrswerde neue Ansätze im ÖPNV und Infrastrukturausbau. Auch in der energieeffizienten Gebäudesanierung bestehe ein großes Handlungsfeld. Darüber hinaus müssten Klimaschutz und Nachhaltigkeit im kommunalen Handel berücksichtigt werden. Auch Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels seien von großer Bedeutung, so könnte beispielsweise mit Blick auf Starkregenereignisse das Fassungsvermögen der Kanalisation vergrößert werden. Der zunehmende Druck, aber auch Widerstand in der Bevölkerung stelle eine große Herausforderung dar.

Ein schönes Beispiel für einen Transformationspfad in einen Multi-User Industriepark präsentierte Prof. Dr. Hannes Utikal von der Provadis School of International Management and Technology und Leiter des Zentrums für Industrie und Nachhaltigkeit (ZIN) im Industriepark Höchst in seinem anschließenden Vortrag. Das dort entstandene Cluster Process4Sustainability verbindet Unternehmen der Prozessindustrie, die sich zu Netto-Null-Zielen bis 2045 und teils noch früher verpflichtet haben. Prof. Utikal stellte die Aufgaben und Aktivitäten des Clusters vor: “Wir übersetzen das Ziel der CO2-Neutralität für einzelne Unternehmen und die spezifischen lokalen Bedingungen und bieten unseren Partnern praktisches Wissen über die Hebel der CO2-Neutralität, neue Märkte und innovative Geschäftsmodelle“ heißt es in der Beschreibung des Clusters, dem elf Unternehmen angehören, und das von Innovationspartnern wie DECHEMA, VDI, House of Energy und anderen begleitet wird. Die lokale Initiative möchte gemeinsam einen ökonomisch erfolgreichen Transformationspfad bestreiten und setzt dabei folgende Schwerpunkte:

  • Aufbau einer Transformationsallianz
  • Beschleunigung des Kapazitätsausbaus für erneuerbare Energien, des Transportnetzes
  • Aufbau einer grünen Wasserstoff-Infrastruktur
  • Aufbau einer einer CO2-Infrastruktur
  • Entwicklung einer Industrial – Urban Symbiosis
  • Starten einer grünen Innovationsoffensive
  • Klares Transformationsreporting für alle Sektoren

Prof. Utikal betonte, dass die Transformation der Industrie eine Gemeinschaftsaufgabe darstelle und ein großer Nutzen in der Zusammenarbeit der gesamten Region bestehe, denn es gebe auf allen Ebenen viel zu tun und es sei wichtig, jetzt ins Handeln zu kommen. Daher wäre eine wirksame „Regionale Transformationsallianz“, die die gesamte Region umfasst, in der Zusammenarbeit zwischen Industrie/Wirtschaft, Gesellschaft/Politik und Forschung zu bilden.

Prof. Dr. Stephan Reimelt von Bloom Energy präsentierte, welche Chancen sich für Unternehmen mit neuen Produkten aus dem Green Deal ergeben. Bloom verfügt als einziges Unternehmen weltweit über eine bereits hoch entwickelte Hochtemperatur-Brennstoffzellen und Elektrolysetechnologie. SOFC und SOEC bilden eine Plattform. Bloom hat mittlerweile mehr als 15.000 diese Module im kommerziellen Einsatz im Bereich der Brennstoffzelle ist ihre Leistungsfähigkeit mit über 60 % Wirkungsgrad allen anderen Technologien weit überlegen. Mit kombinierte Wärmerückgewinnung und Integration zu hoch effizienten Energiesystemen stellt Bloom damit einen großen Beitrag zur CO2 Reduktion dar.

Das kalifornische Unternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Festoxid-Brennstoffzellensysteme (SOFC) für die Stromerzeugung vor Ort und Festoxid-Elektrolysezellen für die Wasserstoffherstellung. Mit dem Green Deal und der voranschreitenden Energiewende, die die Medien Strom, Gas, Wärme multimodal zusammenführen müsse, entstehen neue Einsatzmöglichkeiten und Entwicklungspotenziale für Technologien, die die Sektorenkopplung unterstützen. Prof. Reimelt beschrieb dies am Beispiel einer flexiblen Energieplattform, die vor Ort sowohl Strom als auch Wasserstoff mit flexiblen Leistungen bereitstellen kann. Bloom Energy hat für die Komponenten (Elektrolyse- und Brennstoffzelle) eine Systemeinbindung in Form eines Energy Servers entwickelt. Dieser kann auf der Eingangsseite flexibel mit Strom, Erdgas, Biogas und Wasserstoff arbeiten und auf der Ausgangsseite, die zur jeweiligen Zeit gewünschte Energieform bereitstellen. Eine modulare Bauweise lässt je nach Anwendungsfall unterschiedliche Skalierungen zu. Im Laufe der Entwicklungszeit hat sich die Leistungen der Module von 5 kW im Laborversuch auf 750 kW im aktuellen Handelsprodukt steigern lassen, was mit steigenden Energiedichten und geringeren Materialbedarf pro kW einhergeht. Die Anlagen könnten in Off Grid-Architekturen eingebunden werden und sind geeignet, die Notstromversorgung mit Dieselgeneratoren zu ersetzen und damit nachhaltig auszurichten. Prof. Reimelt ermutigte die Teilnehmerschaft, Chancen der Sektoren koppelnden Energiewende zu nutzen und erläuterte, dass mit der technologischen Entwicklung die Kosten für die Komponenten und Systeme damit auch für die Energie, z.B. in Form grünen Wasserstoffs sinken werde.

Abschließend fasste Prof. Birkner nochmals die zentralen Erkenntnisse zusammen und lud zur weiterführenden Diskussion in die Lounge ein.

Fotoimpressionen 2022
Video Rückblick 2022

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