Bereits zum dritten Mal trafen sich Energiewende-Innovationscluster mehrerer Bundesländer, um sich zu aktuellen Themen auszutauschen und zu vernetzen. Vertreter/innen von EnergieClustern aus 13 Bundesländern nahmen auf Einladung des House of Energy e.V. am aktuellen Online-Forumstreffen teil, das einen Schwerpunkt auf die gemeinsame Fortbildung legte. Inhaltlicher Schwerpunkt des Onlinetreffens am 28. Januar 2021 war die aktuelle Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Dabei ging es um die Frage, welche neuen Optionen für den Umbau der Energieinfrastruktur und die Dezentralisierung der Energieversorgung das EEG 2021 bietet und welche Regelungen offenbleiben.
Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Peter Birkner, House of Energy-Geschäftsführer und der Einführung durch Dirk Filzek, Koordinator Wissenstransfer im House of Energy, boten renommierte Experten aus den Bereichen Recht und Finanzierung der Energiewende aktuelle Impulse zum EEG 2021. Es wurde diskutiert, welche Auswirkungen die neuen Regelungen auf die Arbeit der EnergieCluster in den Bundesländern haben. Dabei wurde deutlich, dass die Themen Sektorenkopplung und Wasserstoff besonders intensiv zu diskutieren sind.
Dieser Bericht fasst die Inhalte im Überblick zusammen:
- Einführung
- Das Forum EnergieCluster
- Impulsvorträge
- Die Bedeutung des EEG 2021 für die dezentrale Energiewende
- Ausgewählte Neuerungen im EEG 2021
- Bedeutung des EEG 2021 für die Projektfinanzierung
- Diskussion
- Welche Neuerungen hält die EEG-Novelle für die Wasserstoffwirtschaft bereit?
- Wie definiert man grünen Wasserstoff?
- Wann rechnen sich Projekte mit grünem Wasserstoff?
- Gibt es weitere aktuelle Gesetzesnovellen, die eine besondere Bedeutung für die dezentrale Energiewende haben?
- Welche Möglichkeiten für Energiegemeinschaften oder Quartiere gibt es, Strom gemeinsam zu nutzen?
- Conclusio
- Denkanstoß für die zweite Phase der Energiewende
1. Einführung: Das Forum EnergieCluster
Da viele neue Gesichter das Forum EnergieCluster bereicherten, ging Herr Filzek auf die Idee des Forums ein und beschrieb die Entstehungsgeschichte. Bei der Energiewende handelt es sich um einen umfassenden, gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess, für den es gilt, Innovationen auf den Weg zu bringen und Realisierungsoptionen zu eröffnen. Dazu sind auf allen Ebenen Wissen und Fähigkeiten zu entwickeln. Ein kooperativer, bundesländerübergreifender Cross-Cluster-Austausch stärkt die EnergieCluster wechselseitig in diesem Prozess. Beim ersten Treffen vor zwei Jahren tauschten sich die Cluster zunächst über die Clusterstrukturen und Arbeitsweisen aus.
Das zweite Treffen diente sowohl einem Austausch mit Bundeswirtschaftsministerium und Projektträger Jülich zu Förderprojekten für eine zukunftsfähige Energieversorgung, als auch einem Workshop, bei dem über die Ziele des Forums diskutiert wurde. Dabei wurden bundesweite Trends der Energiewende identifiziert und Handlungsfelder für das Forum EnergieCluster vorgeschlagen. Ein Schwerpunkt soll ein strukturierter Erfahrungsaustausch sein.
Zu den aktuellen Themen, die die EnergieCluster in ihrer Praxis bewegen, zählen z.B. der Ausbau Erneuerbarer Energien, Wärmeversorgung, Sektorenkopplung und Flexibilität, Quartierslösungen, Elektromobilität und erneuerbare Kraftstoffe, Dekarbonisierung der Industrie, Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, Digitalisierung, Smart-Meter-Rollout, die Gesetzesnovellen oder gute Beispiele für die praktische Arbeit als Clusterorganisation im Alltag.
Das aktuelle dritte Treffen griff den Fortbildungsbedarf zu bundespolitischen Fokusthemen auf. Renommierte Experten aus den Bereichen Recht und Finanzierung der Energiewende boten verständlich aufbereitet aktuelle Informationen und Impulse zum EEG 2021.
2. Impulsvorträge
Impulsvortrag 1: Die Bedeutung des EEG 2021 für die dezentrale Energiewende
Dr. Markus Kahles ist Europajurist mit Schwerpunkten im europäischen Umweltenergierecht sowie im Recht der erneuerbaren Energien. Er arbeitet für die Stiftung Umweltenergierecht aus Würzburg, einer Forschungseinrichtung, die sich mit der Frage beschäftigt, wie sich der Rechtsrahmen verändern muss, um die energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen. Er kommt zum Schluss: „Das EEG kann sowohl hemmend als auch fördernd auf eine dezentrale Energiewende wirken. Es kommt auf den Blickwinkel und das jeweilige Instrument an.“
In seinem Vortrag ging er zunächst auf die übergeordnete Zielrichtung des EEG ein, den Erneuerbare Energien (EE)-Anteil am Stromverbrauch zu steigern und Strom in Deutschland bis 2050 treibhausgasneutral zu erzeugen. Dezentralität sei dabei keine explizit genannte Zielstellung des EEG 2021. Dennoch enthalte das EEG 2021 Instrumente, die in Richtung einer regionalen Steuerung der Stromerzeugung zielen (z.B. Referenzertragsmodell, Südquoten). Auch die Verwendung von Strom für bestimmte Anwendungen vor Ort werde durch Regelungen im EEG adressiert (z.B. Eigenversorgung, Elektrolyse). Zudem rücke die Bund-Länder-Koordination bei der Erreichung der Ziele des EE-Ausbaus verstärkt in den Vordergrund (z.B. Kooperationsausschuss, Monitoring).
Dennoch blieben künftig Spielräume und offene Diskussionspunkte zur rechtlichen Weiterentwicklung mit Blick auf eine dezentrale Energiewende, die ein breites Themenspektrum abdecken: Von der grundsätzlichen Frage der Zukunft der EEG-Umlage als mögliches Hemmnis für regionale Stromanwendungen oder Sektorenkopplung bis hin zu speziellen Herausforderungen, wie der Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Nutzung von regional erzeugtem EE-Strom vor Ort für Industrie oder Verbraucher, dem Rechtsrahmen für die (gemeinsame) Eigenversorgung und EEGemeinschaften oder der Diskussion über die Einführung von PV-Pflichten für Gebäudeeigentümer.
Impulsvortrag 2: Ausgewählte Neuerungen im EEG 2021
Jens Vollprecht ist Partner bei Becker Büttner Held PartGmbB, einer renommierten Rechtsberatung für die Energiewirtschaft. Er ist Rechtsanwalt, Diplom-Forstwirt und betreut Mandate aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien. Aktuelle Themen sind insbesondere Agri-Photovoltaik, Redispatch 2.0, Post-EEG-Anlagen, Batteriespeicher, Wasserstoff und Sektorenkopplung. Er meint: „Das EEG 2021 hat den richtigen Dreh, aber da muss noch mehr kommen!“
Bei den Ausschreibungen für Windkraft wurde eine sogenannte Südquote eingeführt, die – ebenso wie bei Biomethananlagen – eine Verlagerung der zukünftigen Erzeugung in den Süden bewirken soll. Die Reduzierung der Ausschreibungsmenge bei einer erwarteten Unterzeichnung (sog. endogene Mengensteuerung), die u.a. bei Windkraft vorgesehen ist, wurde vorgestellt und analysiert. Eine Modifikation des sog. Gütefaktors soll sicherstellen, dass Windkraftanlagen an windschwächeren Standorten höhere Zuschlagschancen haben als bisher. Bei Solaranlagen wurde die Ausschreibung in zwei Segmente unterteilt, so dass Freiflächenanlagen und Aufdachanlagen nicht mehr miteinander konkurrieren. Aufdachanlagen sollen so in den Ausschreibungen besser „zum Zug“ kommen. Im Bereich der Innovationsausschreibungen wurde für besondere Solaranlagen – wie zum Beispiel Agri-PV und Floating-PV – für den Termin am 01.04.2022 ein eigenes Segment für 50 MW geschaffen. Auch diese besonderen Solaranlagen müssen sich aber z.B. mit einem Speicher zu einer Anlagenkombination zusammenschließen, wenn sie an diesen Ausschreibungen teilnehmen möchten.
Kernelemente bei der finanziellen Förderung von Biomasse sind die Anforderungen „Stromerzeugung in hocheffizienter KWK“ und „Höchstbemessungsleistung“. Bei bestimmten Biomethananlagen wird mit einer Höchstbemessungsleistung von 15 % der installierten Leistung eine „Höchstflexibilität“ gefordert. Neue flexible Leistung wird nur noch gefördert, wenn das neu eingeführte Qualitätselement eingehalten wird: Dies erfordert eine Auslastung von mindestens 85 % der installierten Leistung der Anlage in einer bestimmten Anzahl von Viertelstunden in einem Kalenderjahr.
Darüber hinaus erläuterte Jens Vollprecht die neue Regelung zur finanziellen Beteiligung von Kommunen bei Windkraftanlagen, die Änderungen beim Mieterstromzuschlag und die neuen Möglichkeiten zur Reduzierung der EEG-Umlage für Strom zur Erzeugung von (grünem) Wasserstoff.
Impulsvortrag 3: Bedeutung des EEG 2021 für die Projektfinanzierung
Dr. Christian Ostendorf ist Senior Vice President Energy & Infrastructure bei der North Channel Bank GmbH & Co. KG aus Mainz, die zukunftsorientierte und innovative Banking-as-a-Service-Lösungen, z.B. für eine erfolgreiche Energiewende entwickelt. Er ist der Überzeugung: „Mit dem EEG 2021 wird Deutschland sicherlich nicht mit „Wumms“ die Klimaziele 2030 und 2050 erreichen.“
Herr Dr. Ostendorf führte in die Besonderheiten der Projektfinanzierung von Energiewendeprojekten ein. Grundsätzlich seien ausreichende und stabile Cash-Flows entscheidend. Herausforderungen seien die hohen Due-Diligence-Kosten und umfangreiche Vertragskonstellationen für ein Vielzahl geringvolumiger Einzelprojekte mit individuellen Unterschieden, die eine Skalierbarkeit erschwere. Weiterhin ging Herr Dr. Ostendorf auf die Bedeutung des EEG 2021 für die Projektfinanzierung ein. Dazu stellte er fest, die Novellierung des EEG habe viel Potential gehabt und sei leider deutlich hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben. Gerade im Bereich Sektorenkopplung hätte das EEG 2021 die Möglichkeit gehabt, die notwendige Weichenstellung vorzunehmen und innovative Lösungen zu unterstützen. Die beschlossene Ausweitung der Ausschreibungsmenge sei überfällig gewesen. Jedoch blieben Zweifel bestehen, ob das Ziel erreicht werden kann, im Jahr 2030 65% des deutschen Stromverbrauches aus erneuerbaren Energien bereit zu stellen. Eine Chance böten die regelmäßige Kontrolle und Möglichkeit der Nachjustierung, ähnlich zu der beschlossenen Bankenregulierung Basel III. Aus Sicht projektfinanzierender Banken bestünde dennoch weiterhin eine Lücke im Risikokapital, wenn während der Projektplanung Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen gegen deren Umsetzung klagen. Ob die nun gesetzlich geregelte Beteiligung der Bürger eine ausreichende Lösung zur Erreichung der Ziele mit sich bringe, bliebe abzuwarten.
Weiterhin ging Herr Dr. Ostendorf auf die Rolle der Banken für die Energiewende ein. Mit neuen zukunftsorientierten und innovativen Lösungen könnten Banken hier einen Beitrag leisten. Ansätze seien neue Methoden zur Verbesserung der Skalierbarkeit, wie z.B. Plattformen, die standardisierte und zertifizierter Finanzmodelle darstellen oder BaFin-zertifizierte White Lable-Lösungen für digital verbriefte Bürgerbeteiligung. Deren Token könnten über einen Marktplatz mit angeschlossener Clearingstelle erworben, getauscht und/oder veräußert werden. Hier ginge es darum, die Möglichkeiten der Digitalisierung unter Einbindung neue Marktteilnehmer und Start-ups intelligent und effizient in die etablierten Strukturen einzubinden und somit eine Beschleunigung in der Umsetzung und eine Reduzierung der Kosten zu erreichen.
3. Diskussion
Frage 1: Welche Neuerungen hält die EEG-Novelle für die Wasserstoffwirtschaft bereit?
Jens Vollprecht: Wie erläutert ergibt sich aus den neuen §§ 64a; § 69b EEG 2021 die Möglichkeit, die EEG-Umlage für den zur Wasserstofferzeugung eingesetzten Strom zu reduzieren – wenn es sich um Strom aus erneuerbaren Energien handelt, kann sogar eine Verringerung auf null erreicht werden.
Diese Regelungen setzen an einem richtigen Punkt an, nämlich den gesetzlich vorgesehenen Entgelten, Abgaben und Umlagen für den zur Wasserstoffherstellung eingesetzten Strom.
Insbesondere diese Kosten führen dazu, dass der Wasserstoff so teuer wird, dass er sich gegenüber „fossilen“ Konkurrenzprodukten am Markt nicht durchsetzen kann. Und das ist kritisch zu sehen. Denn der Wasserstoff funktioniert – bildlich gesprochen – wie eine Schweizer Offiziersmesser: Er kann sowohl zur Stromerzeugung als auch zur Wärmeerzeugung, in der Mobilität und in der Industrie eingesetzt werden, ist also „multifunktional“. Damit können die Erneuerbaren Energien aus dem Strombereich in die anderen Sektoren überführt werden. Neben der EEG-Umlage gehören zu den angesprochenen Kostenpositionen noch die Netznutzungsentgelte und die Netzgekoppelten Abgaben und Umlagen (KWK-Umlage, Abschaltbare-Lasten-Umlage, Offshore-Netzumlage, § 19 StromNEV-Umlage und die Konzessionsabgabe).
Die Hilfestellung im Hinblick auf die EEG-Umlage ist wichtig. Folgendes Beispiel: Bei einem Transport des Stroms aus einer Windkraftanlage über das Netz für die allgemeine Versorgung zu einem Elektrolyseur fällt in der Regel die EEG-Umlage in voller Höhe an. Das sind derzeit immerhin 6,5 ct/kWh. Warum ist das so? Sind der Betreiber der Windkraftanlage und der Betreiber des Elektrolyseurs personenverschieden, liegt eine Lieferung vor und es gibt kaum Möglichkeiten, die EEG-Umlage zu reduzieren. Sind der Betreiber der Windkraftanlage und der Betreiber des Elektrolyseurs personenidentisch und wird der Strom in der Viertelstunde, in der er erzeugt wird in dem Elektrolyseur verbraucht, liegt zumindest eine Personenidentität vor – in der Regel schon ein wichtiger Schritt, um das Tor zu Reduzierungs- oder Befreiungstatbeständen aufzustoßen. Bei Neukonzepten brauchen wir aber die weiteren Voraussetzungen, die an eine Eigenversorgung gestellt werden. Und hier haben wir in dem Beispiel ein Problem. Denn sobald das Netz für die allgemeine Versorgung genutzt wird, ist es mit der Eigenversorgung vorbei. Also: Die volle EEGUmlage ist zu zahlen. Mit dem neuen EEG ist also ein richtiger Schritt gemacht worden. Verkürzt gesagt kann man sagen, dass es zwei unterschiedliche Wege gibt, eine Verringerung zu erreichen: Entweder man tritt den Weg zum BAFA an – Stichwort „Besondere Ausgleichsregelung“ – und stellt einen entsprechenden Antrag (vgl. § 64a EEG 2021). Diese Möglichkeit besteht auch, wenn der Strom zur Erzeugung des Wasserstoffs nicht aus erneuerbaren Energien stammt. Die Regelung ist schon ab dem 01.01.2021 „scharf geschaltet“. Oder man weist dem zuständigen Netzbetreiber gegenüber nach, dass es sich bei dem eingesetzten Strom um Strom aus erneuerbaren Energien handelt, also „grüner“ Wasserstoff erzeugt wird (vgl. § 69b EEG 2021). Diese Vorschrift kann aber derzeit noch nicht genutzt werden, denn es muss in einer Verordnung insbesondere noch geregelt werden, was unter „grünem“ Wasserstoff zu verstehen ist.
Vielleicht schauen wir uns noch kurz die andern Kostenbestandteile in dem gebildeten Beispiel an: Netznutzungsentgelte entstehen, wenn Strom aus dem Netz für die allgemeine Versorgung bezogen wird. Sie sehen, schon wieder das Netz für die allgemeine Versorgung… Allerdings gibt es in § 118 Abs. 6 EnWG eine Möglichkeit für Betreiber von Elektrolyseuren, sich von den Netznutzungsentgelten befreien zu lassen. Das funktioniert meines Erachtens auch in den Fällen, in denen der Wasserstoff nicht wieder verstromt wird. Jetzt würde man denken: Wenn die Netznutzungsentgelte entfallen, dann entfallen damit auch die Netzgekoppelten Abgaben und Umlagen. Meines Erachtens sprechen dafür auch die besseren Argumente. Aber der BGH sieht das anders – und dagegen komme ich nicht an.
Abschließend noch ein kurzer Hinweis: Weitere Kosten für die Erzeugung von Wasserstoff können sich aus dem Strom- und Energiesteuerrecht ergeben. Aber ich höre hier lieber auf. Ein kurzer Blick über den Tellerrand des EEG 2021 soll an dieser Stelle genügen.
Frage 2: Wie definiert man grünen Wasserstoff?
Dr. Markus Kahles: Diese Frage ist im EEG noch nicht geklärt. Aktuell gibt es hierzu einen Prozess auf EU-Ebene, in dem geklärt werden soll, nach welchen Kriterien Wasserstoff als „grüner“ Kraftstoff nach der Erneuerbare-Energien-Richtline gilt. Dieser Prozess wird wohl noch abgewartet werden. Die Definition, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit der Wasserstoff im Rahmen des EEG als „grün“ definiert werden kann und dessen Herstellung somit von der EEG-Umlage befreit ist, wird dann im Rahmen einer Verordnung auf Basis des EEG geregelt.
Frage 3: Wann rechnen sich Projekte mit grünem Wasserstoff?
Dr. Christian Ostendorf: Sobald die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind, lohnen sich ganz unterschiedliche Projekte. Grüner Wasserstoff könnte einen großen Beitrag für die Energiewende leisten. Er genießt zurzeit noch einen schlechten Ruf, weil er energieintensiv ist und derzeit überwiegend mittels fossiler Energie produziert wird. Hingegen haben wir immer häufiger Überkapazitäten an grünem Strom, der zu bestimmten Zeiten zu negativen Preisen an der Strombörse führt. Die Konsequenz ist, dass Windkraftanlagen, die altersbedingt aus der Förderung fallen, mangels Rentabilität stillgelegt werden. Solche Erzeugungsspitzen könnten wir nutzen, um z.B. mit Hilfe von Elektrolyseuren den produzierten Strom in der Form von grünem Wasserstoff zu Speichern. Es gibt Rechenbeispiele, die durchaus lukrativ sind: Das Szenario ist, dass man Einzelprojekte im Rahmen der Sektorenkopplung sinnvoll miteinander kombinieren kann. Leider fehlt aktuell noch der Rechtsrahmen, der derartige Projekte vereinfacht. Damit gäbe es sehr profitable Lösungen und für die Verbraucher kostengünstigere Lösungen als derzeit.
Frage 4: Gibt es weitere aktuelle Gesetzesnovellen, die eine besondere Bedeutung für die dezentrale Energiewende haben?
Dr. Markus Kahles: Der Entwurf zur Novelle des EnWG befindet sich zurzeit im Konsultationsverfahren. Hier geht es u.a. darum, wie die EU-Binnenmarkt-Richtlinie und -verordnung im Bereich Strom im Hinblick auf flexiblere und steuerbare Verbrauchseinrichtungen und Lastenzuschaltung umgesetzt wird. Ein Streitpunkt ist dabei z.B. die Ausgestaltung der sog. Spitzenglättung durch die Netzbetreiber im Rahmen des § 14a EnWG. Insgesamt sollen Betreiber steuerbarer Verbrauchseinrichtungen einen Anreiz für eine netzdienliche Steuerung des Strombezugs aus dem Niederspannungsnetz erhalten. Dies gilt für Ladepunkte für Elektromobilität, Wärmepumpen, Stromspeicher und Nachtspeicherheizungen.
Grundsätzliches Ziel ist es, Netzengpässe zu beheben, die zeitlich und lokal begrenzt auftreten, denn dies hat direkte Auswirkungen auf den Netzausbaubedarf. Es geht darum, wie mit marktwirtschaftlichen Instrumenten der Ausgleich von Erzeugung und Lasten organisiert werden kann, damit weniger Redispatch-Eingriffe notwendig sind (Stichwort: Flexibilität). Redispatch meint Eingriffe in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken, um Leitungsabschnitte vor einer Überlastung zu schützen. Der im Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) ab Oktober 2021 vorgesehene Redispatch 2.0 verpflichtet die Verteilnetzbetreiber zu einem gemeinsamen, vorausschauenden Engpassmanagement über alle Netzebenen hinweg. Auch wenn der Redispatch 2.0 greift, sind zunehmend auch marktgestützte Prozesse auf Basis von Angebot und Nachfrage erforderlich und gewünscht. Erneuerbare Energie-Anlagen sollen Systemdienstleistungen anbieten, um die Flexibilität im System zu erhöhen. Auch dies wird im EnwG geregelt. Die Frage ist nun, wie weit man diese Markt- und Systemverantwortung herunterbricht. Muss sich jeder aktive Kunde mit einer verhältnismäßig kleinen Dachsolaranlage verpflichtend beteiligen, einen Smart Meter einbauen und Bilanzausgleichsverantwortung übernehmen? Welche Freiräume wird es geben, um auf lokaler Ebene Strom zu teilen, ohne dass Pflichten eines Energieversorgers auferlegt werden? Arbeitet man mit pauschalen Grenzen? Kann und soll jeder Anlagenbetreiber seine Anlagenleistung über das Smartphone regeln? Benötigt er professionelle Unterstützung durch Aggregatoren oder sonstige Dritte? Noch ist nicht genau absehbar, wohin sich der Markt und das Energieversorgungssystem entwickeln werden. Klar scheint aber momentan die vorgegebene Richtung: Mehr Systemverantwortung und mehr Markt.
Frage 5: Welche Möglichkeiten für Energiegemeinschaften oder Quartiere gibt es, Strom gemeinsam zu nutzen?
Dr. Markus Kahles: In Deutschland ist es nicht verboten, eine Energiegemeinschaft zu gründen. Ein Beispiel sind die Energiegenossenschaften. Problematisch wird es, wenn die Mitglieder den Strom untereinander austauschen möchten. Diesen Punkt hat der Gesetzgeber noch nicht ausdiskutiert. Technisch gesehen gibt es verschiedene Möglichkeiten dazu, sei es im klassischen Sinne oder durch Zuhilfenahme neuer Technologien, wie Block Chain. Hier werden aktive Prosumer auf lokaler Ebene mit Hilfe der Digitalisierung zu einer Energiegemeinschaft zusammengebracht.
Dies ist auch der Grundgedanke, den sich die EU zu eigen gemacht hat: Sie rückt den aktiven Kunden in den Mittelpunkt des Energiebinnenmarkts und die Mitgliedsstaaten müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, Energiegemeinschaften die Tätigkeit im Energiesystem zu ermöglichen und ihre Marktintegration ist zu erleichtern. Wie dies im Detail umzusetzen ist, wird nicht vorgegeben. Die Erneuerbare Energien-Richtlinie der EU ist bis Juni 2021 in nationales Recht umzusetzen. Bei Fristverstreichung drohen Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission und Klagen bis zum europäischen Gerichtshof.
Das sorgt in Deutschland für Diskussionen. Grundsätzlich können Energiegemeinschaften Strom untereinander austauschen, sie müssen aber alle Energieversorgerpflichten erfüllen. Dies stellt eine hohe Hürde dar: Ein professioneller Dritter muss in die Abwicklung eingebunden werden und für die Prosumer einer Energiegemeinschaft besteht kein Kostenvorteil einer Optimierung auf lokaler oder regionaler Ebene. Die Frage ist, ob man es dabei belässt oder ob man es Energiegemeinschaften erleichtert, ihre Potentiale zu nutzen, z.B. durch eine kostengünstigere Strombeschaffung auf lokaler Ebene, wenn es eine bestimmte Menge nicht überschreitet. Hierzu wurde noch keine Entscheidung getroffen. Eine proaktivere Herangehensweise des Gesetzgebers wäre wünschenswert.
4. Conclusio
In seinen abschließenden Worten bedankte sich Prof. Dr. Peter Birkner bei den Teilnehmenden und bei den Vortragenden für die hervorragenden Beiträge. Das EEG zählt derzeit zu den zentralen Gesetzen für die Energiewende. Die Runde erhielt einen guten Rundumblick über neue Regelungen im EEG 2021, insbesondere mit Blick auf eine dezentrale Energiewende. Ebenso wurden Weiterentwicklungsoptionen für das EEG angesprochen. Darüber hinaus gewann die Runde Einblicke in die Besonderheiten der Projektfinanzierung für Energiewende-Projekte und die Bedeutung des EEG 2021 in diesem Zusammenhang.
Mit Blick auf die Geschichte des EEG und die sich verändernden Anforderungen im Zuge der zweiten Hälfte der Energiewende fügte Prof. Dr. Peter Birkner einen Denkanstoß hinzu: Als das EEG vor über 20 Jahren erstmals in Kraft trat, bestand seine Aufgabe in der ersten Phase der Energiewende darin, es einem breiten Spektrum an Akteuren zu ermöglichen, dezentrale Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie im Heimatmarkt aufzubauen. Dies wurde mit Instrumenten erreicht, die das Risiko begrenzten und einen stabilen Cash Flow garantierten. Das ursprüngliche, noch sehr einfach gehaltene EEG mit der Vorrangregelung für erneuerbare Energien und Einspeisevergütung wurde damals sogar von internationalen Organisationen als Best-Practice-Policy identifiziert und von vielen Ländern übernommen. Eine rasche Lernkurve bei den Gestehungskosten erneuerbarer Energien setzte (weltweit) ein.
Mittlerweile hat sich die Welt jedoch deutlich gewandelt: Wir befinden uns zwar mit über 50 % Anteil erneuerbarer Energien im Strombereich bereits in der zweiten Halbzeit der Energiewende, allerdings erwies sich der Transformationsprozess, der eine Vielzahl an Aspekten mit einbezieht, als sehr komplex. Stichworte sind die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Mobilität, aber auch Themen wie z.B. Finanzierung, Umweltbelange, Akzeptanz und Energiegerechtigkeit. Damit kamen bereits in den vergangenen EEG-Novellen vielfältige Detail- und Ausnahmeregelungen hinzu. Das EEG wurde kompliziert und unübersichtlich. Zusätzlich nahm die Verschränkung einzelner Regelungen im EEG mit anderen Gesetzen immer weiter zu. Die mit jeder Novelle zunehmende Fülle an Komplexität dürfte perspektivisch die Resilienz des Gesetzes schwächen. Auch die Wirkungen des EEG sind in zunehmendem Maße im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten, wie z.B. der CO2-Bepreisung zu messen.
Daher sollten wir darüber nachdenken, ob das EEG in der jetzigen Form für die zweite komplexere Hälfte der Energiewende noch zielführend ist. Unser Zielsystem mit hohen Anteilen dezentraler Erneuerbaren Energien muss einfach gehalten sein und dennoch durch konzertiertes Handeln erreicht werden. Dies spricht für neue lösungsorientierte und marktbasierte Ansätze. Im Sinne einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft sollten wir auf Marktmechanismen fokussieren und diese in einem Rahmen zulassen, in dem wir unsere Energiewende- und Klimaziele erreichen. Dabei ist die Akteurs- und Technologievielfalt zu erhalten. Marktmodelle sind geeignet, komplexe und zeitlich veränderliche Systeme zu optimieren. Sie sind in diesem Fall einer Detailregulierung überlegen. Es ist damit an der Zeit, zu diskutieren, wie diese marktbasierten Ansätze aussehen müssten. Hierzu wäre ein proaktives Handeln seitens der Politik wünschenswert*.
Die Zeit war wieder einmal zu kurz für diese wichtigen und interessanten Themen. Mit froher Erwartung blicken wir auf das nächste Treffen des Forum EnergieCluster, bei dem ein strukturierter Erfahrungsaustausch im Vordergrund stehen soll.
*Hinweis: Im September 2020 in veröffentlichte das House of Energy im Zuge der EEG-Novellierung einen kurzen Beitrag in seiner Aspekte-Reihe, in dem auf die Notwendigkeit wirksamer Anreize für dezentrale Energiestrukturen hingewiesen wird.