Antriebsstoffe der Zukunft – Brennstoffzelle, Batterie, Alternativen oder doch Wasserstoff verbrennen?

Das war eine spitzen Veranstaltung am 11. Mai 2021 mit mehr als 90 Teilnehmenden! Der erwartete Clash der verschiedenen Technologien war konstruktiv und fast im Einklang.

Auf welchen Antriebsstoffen werden Mobilität und Logistik der Zukunft basieren? Klar ist, wir wollen uns um Klimaneutralität kümmern. Die Energiewende kann nur mit einer ernsthaften Verkehrswende gelingen. Perspektivisch müssen Mobilität und Logistik auf erneuerbaren Energien basieren. Die dafür notwendigen Schritte sind jetzt einzuleiten. Dafür stehen uns verschiedene Antriebstechnologien zur Verfügung: Batterieelektrischer Antrieb, Wasserstoff-Brennstoffzelle, erneuerbare Flüssigbrennstoffe, Wasserstoff-Verbrennungsmotor sowie Hybride dieser Antriebsformen. Jede Technologie bringt Vor- und Nachteile mit sich. Welche Technologie zum Einsatz kommt, hängt vom Anwendungsfall ab, denn nicht jede Technologie ist für jeden Einsatzzweck gleichermaßen geeignet. Und für eine Breitenanwendung braucht es auch die notwendige Infrastruktur.

Themen der der Kooperationsveranstaltung von Metropolregion Rhein-Neckar und House of Energy e.V. am Dienstag, 11. Mai waren die Wasserstoffbrennstoffzelle, alternative Antriebsstoffe, batterieelektrische Antriebe und der Wasserstoffverbrennungsmotor – mit besonderem Fokus auf schwere Nutz- und Transportfahrzeuge. Dabei zeigten wir einige Anwendungen, in denen sich die verschiedenen aktuellen Bestrebungen bewähren oder sich zu bewähren scheinen. Ziel war, herausstechende Projekte zu zeigen, voranzutreiben und Ansätze für die Region zu finden. Eine offene Diskussion bei diesem Thema ist wichtig. Dafür bieten wir als MRN und House of Energy eine Plattform.

Technologieübersicht
(Vortrag von Christoph Mohring von der Technologieberatung P3 automotive)

Eine hervorragende Übersicht bot Christoph Mohring von der Technologieberatung P3 automotive. Er hat es geschafft alle treibenden Technologien übersichtlich und leicht verständlich nebeneinander zu stellen. Es zeigte sich, dass jede der genannten Antriebstechnologien – abhängig vom Einsatzgebiet – eine wichtige Rolle spielen wird. Für alle Antriebe – ob batterieelektrisch, Wasserstoff oder E-Fuels – gilt es, erneuerbare Energie aus Wind- und Solarkraftwerken zu erzeugen.

Das Angebot an erneuerbaren Energien stellt einen begrenzenden Faktor dar, wenn man bedenkt, dass zukünftig im Rahmen der Sektorenkopplung mehrere Sektoren zugleich mit elektrischer Energie versorgt werden müssen: Stromversorgung, Mobilitäts-/Logistiksektor und Wärmesektor. Überdies benötigen bestimmte Industriezweige wie etwa die Stahlindustrie vordringlich Wasserstoff, weil sie sich anders gar nicht dekarbonisieren lassen. Daher müssen wir im Mobilitäts-/Logistiksektor sparsam mit der aus erneuerbaren Quellen erzeugten Energie umgehen. Für jeden Anwendungsfall sollte die effizienteste der jeweils zur Verfügung stehenden Antriebstechnologien gewählt werden.
Batterieelektrische Fahrzeuge zeigen die besten Ergebnisse hinsichtlich Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen. Für die Dekarbonisierung sollten nach Möglichkeit E-Mobilitätslösungen verwendet werden. Brennstoffzellenfahrzeuge bieten ein großes Potenzial zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, erfordern jedoch mehr Primärenergie für die Anwendung. Gegenüber Wasserstoff-Verbrennungsmotoren ist die Brennstoffzelle effizienter. Synthetische Kraftstoffe zeigen vergleichbare Emissionen, benötigen aber eine vielfache Menge an Energie. Deren Einsatz sollte auf Anwendungen begrenzt bleiben, für die weder elektrische Batterie noch Brennstoffzelle einsetzbar sind.

Beim PKW ist die Technologieentscheidung bereits zugunsten des batterieelektrischen Antriebs gefallen. Bei Nutzfahrzeugen im Langstreckenbereich wirkt sich das Gewicht der Batterien negativ auf die Nutzlast aus. Ebenso spielen die Gesamtbetriebskosten eine große Rolle. Das Laden an Schnellladestationen auf der Strecke ist kostenintensiv. Ebenso ist die Infrastruktur von entscheidender Bedeutung. Die Fahrzeughersteller sind aktuell weiter als die Infrastrukturbetreiber. Beim Flugverkehr spielt das Gewicht der Batterien eine große Rolle. Für Langstreckenflüge gibt es daher keine batterieelektrische Anwendung und es wird eher über synthetische Kraftstoffe diskutiert.

Brennstoffzelle
(Vortrag von Dr. Manfred Stefener von Freudenberg)

Die Perspektiven der Brennstoffzelle stellte Dr. Manfred Stefener von Freudenberg vor. Vorteile der Brennstoffzellen sind die langen Reichweiten und die langen Lebenszeiten. Der Fokus für den Einsatz der Brennstoffzelle liegt bei Anwendungen in den Bereichen schwere Nutzfahrzeuge, Eisenbahn und mariner Schiffsverkehr. Insbesondere lange Strecken und schwere Lasten können gut mit Brennstoffzellen abgedeckt werden. Dabei können Brennstoffzellen nicht nur in Neufahrzeugen zum Einsatz kommen, sondern mittels Retrofitting auch im Nutzfahrzeugbestand. Freudenberg engagiert sich hierzu in verschiedenen Forschungsprojekten. Speziell im maritimen Bereich lassen sich die langen Reichweiten mit einem ergänzenden Brennstoffreformer erreichen: On-board können andere Brennstoffe in Wasserstoff umgewandelt werden. In den nächsten Jahren wird es darum gehen, Brennstoffzellen zu wettbewerbsfähigen Kosten herzustellen und in die Breite zu bringen. Dies soll mittels Standardisierung und Modularisierung in Form einer Plattformtechnologie erreicht werden. Wenn standardisierte Brennstoffzellen mit standardisierten Batterien zu hybriden Antriebssystemen zusammengeschaltet werden, werden Lösungen für ganz unterschiedliche Einsatzbereiche und für verschiedene Leistungsklassen zu adäquaten Kosten verfügbar.

Alternative Kraftstoffe
(Vortrag von Björn Noack von der Robert Bosch GmbH)

Mit der Frage, welche Rolle alternative Kraftstoffe spielen können, um den Verkehr klimaneutral zu machen, setzte sich Björn Noack von der Robert Bosch GmbH in seinem Vortrag auseinander. Alle Kraftstoff- und Energiepfade von der Erzeugung bis zur Umwandlung in Fahrenergie sind in einer sogenannten „Well-to-Wheel“ zu betrachten. Im Rahmen einer Simulation ging man der Frage nach, wie schnell die technologische Anpassung an die Energiepfade gelingt. Seit 1990 haben Verkehrsdichte und CO2-Ausstoß haben in Summe zugenommen – trotz effizienterer Technik.

Die Simulation für Europa zeigt: Nach 2030 könnten bei den Neuzulassungen mehr als die Hälfte der Fahrzeuge batterieelektrisch sein. Die batterieelektrischen Fahrzeuge können mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden. Auch Brennstoffzellen-Antriebe werden bei den Neuzulassungen 2030 sichtbar. Jedoch werden die noch im Bestand befindlichen Flotten der Verbrennungsmotoren auch im Jahr 2030 mit einem Anteil von rund 80 % weiterhin den Straßenverkehr prägen. Damit wird der Verkehrssektor die Klimaziele für das Jahr 2030 nicht erreichen können. Mithilfe der 20 % batterieelektrisch betriebenen Fahrzeuge könnte der CO2-Austoß in der Gesamtflotte im Jahr 2030 wieder auf das Niveau des Jahres 1990 zurückgehen. Um auch für die Verbrenner den Einsatz erneuerbarer Energien zu ermöglichen, könnten grundsätzlich alternative Kraftstoffe zum Einsatz kommen. Deren Entwicklung kommt für das Klimaziel 2030 jedoch zu spät.

Mit konsequenten Maßnahmen einer Verkehrswende wandelt sich das Bild aber im Jahr 2040: In der Kombination von batterieelektrischen Antrieben und alternativen Kraftstoffen wird eine Zielübererreichung möglich. Ein neuer Kraftstoff ist Blue Gasoline. Dieser beinhaltet aufbereitete Reststoffe und ermöglicht CO2-Einsparungen bei Ottomotoren. Aktuell werden weitere Kraftstoffe mit höheren CO2-Einsparungen entwickelt. Diese sind aber derzeit noch nicht für den Einsatz im Straßenverkehr zugelassen. Ziel ist ein auf 100% erneuerbaren Strom basierender Kraftstoff für Verbrennungsfahrzeuge. Neue klimaneutrale Kraftstoffe können am Markt allerdings nur dann wettbewerbsfähig werden, wenn der regulatorische Rahmen dies zulässt. Der CO2-Preis ist hier bedeutend, ebenso Privilegien gegenüber fossilen Brennstoffen.

Batterieelektrische Nutzfahrzeuge
(Vortrag von Andreas Viehmann von der EDAG Engineering GmbH)

Der Klimaschutz ist mit großen Herausforderungen im Bereich der Nutzfahrzeuge verbunden. Die Straßengüterverkehrsleistung stieg in Deutschland von 2000 bis 2019 um mehr als 40%. Demgegenüber müssen die CO2-Emissionen von 2019 bis 2030 um 30 % gesenkt werden. Schwere Nutzfahrzeuge sind für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich, obwohl sie zahlenmäßig nur einen kleinen Anteil der drei Millionen Nutzfahrzeuge ausmachen.

Auch schwere Nutzfahrzeuge (LKW) können batterieelektrisch betrieben werden. Modularität und Skalierbarkeit der Batteriesysteme sind die Stichworte, die Andreas Viehmann von der EDAG Engineering GmbH als „Enabler“ für nachhaltige und wettbewerbsfähige Fahrzeuge ausmacht. Die Analyse zeigt: 80% der Fahrten sind kürzer als 640 km. Diese Fahrten werden rein batterieelektrisch möglich sein – wenn auch mit reduzierter Nutzlast wegen der Batterien an Bord. Voraussetzung ist eine entsprechende Ladeinfrastruktur mit Megawatt Charging System (MCS). Dadurch wird eine Ladedauer von unter einer halben Stunde möglich, was das Nachladen innerhalb der gesetzlichen Pausenzeiten erlaubt.
Die Anforderungen an den batterieelektrischen Antrieb unterscheiden sich je nach den Einsatz- und Nutzungsprofilen der Fahrzeuge. Derzeit noch werden sämtliche Einsatz- und Nutzungsprofile gleichermaßen mit Diesel abgedeckt. Das Lösungsprinzip zur Integration moderner Antriebe in schwere Nutzfahrzeuge besteht in einem modularen und skalierbaren Baukastensystem: Auf ein Tragesystem können sämtliche Antriebskonzepte/-technologien integriert werden. Mittels vormontierter Module lassen sich Kostensenkungen erreichen. Für den batterieelektrischen Antrieb werden einzelne Zellmodule wahlweise zu Lowrange- oder Highrange-Modulen zusammengeführt. Auch Wasserstoff-Batterie-Hybridspeicher-Module, die sowohl Batteriemodule, als auch Wasserstoffdrucktanks enthalten, werden entwickelt.

Es ist zu erwarten, dass die Batteriemassen (die von den Nutzfahrzeugen mitzutransportieren sind) bis zum Jahr 2030 aufgrund technologischer Entwicklung hin zu höheren Energiedichten deutlich geringer werden. Ebenso wird eine Entwicklung hin zu maßgeblich niedrigeren Batteriekosten erwartet.

Wasserstoff-Verbrennungsmotor
(Vortrag von Martin Thul von der Commercial Vehicle Cluster – Nutzfahrzeuge GmbH (CVC Cluster))

Der Wasserstoffverbrennungsmotor wird politisch aktuell wenig beachtet. Martin Thul von der Commercial Vehicle Cluster – Nutzfahrzeuge GmbH (CVC Cluster) hat interessante Anwendungen für spezielle Nutzfahrzeuge aufgezeigt. Der Wasserstoffverbrennungsmotor ist robust und hat so seine Existenzberechtigung. Auf schwere Nutzfahrzeuge kommen ab 2025 enorme Strafzahlungen zu, wenn es nicht gelingt, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Neben LKW betrifft dies auch mobile Arbeitsmaschinen wie Land- und Baumaschinen. Hier braucht es schnelle marktfähige Lösungen.

Der CVC hat eine Analyse durchgeführt, welche Antriebsarten für welche Einsatzgebiete geeignet sind. Relevante Unterschiede in den Antriebsarten bestehen z.B. hinsichtlich der Lastdynamik, der Betankungs- bzw. Ladedauer, dem Gewicht der Energiespeicher, der Treibstoff-/Energiebeschaffung, dem Kaltstart (z.B. bei Frost), dem Aufwand für die Abgasnachbehandlung und den Fahrzeugkosten. Elektrische Antriebe haben derzeit noch ihre Grenzen. Welche Möglichkeiten haben wir bereits heute? Kurzstrecken-LKW können bereits heute gut batterieelektrisch betrieben werden, z.B. wenn es um Warenverteilfahrten geht und die Batterie über Nacht wieder aufgeladen werden kann. Bei landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen bietet die Elektrifizierung neue Möglichkeiten hinsichtlich der elektrischen Versorgung und Steuerung von Anbaugerätschaften.

Beim UNIMOG kommt man kurzfristig jedoch weder batterieelektrisch noch mit der Brennstoffzelle weiter. Hier bietet sich der Wasserstoff-Verbrennungsmotor an. Klimarelevant ist dabei nicht der Verbrennungsmotor an sich, sondern der verbrannte Kraftstoff. Daher müssen für einen klimaneutralen Betrieb E-Fuels oder Wasserstoff zum Einsatz kommen. Beim Unimog geht es darum, möglichst schnell viel Kraft zu entfalten. Man braucht ein Antriebssystem mit einer hohen Leistungsdynamik. Zwar ist der Verbrenner ist eine preisgünstige und bewährte Technologie, aber die Wasserstoff-Infrastruktur muss aufgebaut werden. Daher braucht es neue Systemlösungen. Derzeit wird im Projekt WaVe ein komplettes Antriebssystem für den Wasserstoffverbrenner entwickelt, das Tank- und Leitungssysteme, Sicherheitskonzepte und weiteres umfasst. Ein bedeutsamer Vorteil des Wasserstoffverbrenners gegenüber der Brennstoffzelle besteht in den geringeren Anforderungen an die Reinheit des Wasserstoffs.

Fazit: Im Nutzfahrzeugbereich wird zukünftig ein Portfolio unterschiedlicher Antriebslösungen zu finden sein. Der Wasserstoffverbrennungsmotor schließt eine Einsatzlücke emissionsfreier Antriebe.

Fahrzeugflottensimulation für die Technologieentscheidung
(Vortrag von Dr. Philipp Rose von Camideos)

Ein kleiner Exot war das Startup Camideos, eine Ausgründung aus dem Fraunhofer ISI.  Camideos bewertet die Potenziale verschiedener Antriebsarten als Dienstleistung für LKW-Flottenbetreiber. Dahinter stehen ein digitaler LKW-Zwilling und eine wissenschaftliche Fahrzeugsimulation, die neben den Technischen Fahrzeugdaten und Umweltdaten auch die konkrete Anwendung hochaufgelöst abbildet. So können Flottenbetreiber dabei unterstützt werden, Fehlinvestitionen zu vermeiden, ihre Flotten effizient zu managen, Kraftstoffkosten zu reduzieren (besonders bei steigenden CO2-Preisen) und Emissionen zu minimieren. Die Plattform schafft Transparenz über Kosten und CO2-Emissionen. Jede Fahrt wird erfasst, vollkostenbasiert gerechnet und mit der Dieselreferenz abgeglichen. Ein interessanter Einblick und wertvoller Beitrag.

 

Danke!

Herzlichen Dank an alle Teilnehmenden und Speaker für das großartige Event. Wir freuen uns auf die nächsten Veranstaltungen.

Hier erfahren Sie von neuen Events des Fachbereichs Zukunftsfelder und Innovation der Metropolregion Rhein-Neckar. Deren nächstes Event findet in Kooperation mit dem Startup Hub 5-HT in Ludwigshafen statt – der renommierte X-Linker New Energies – H2.

Über Events des House of Energy e.V. informieren wir Sie auf der Website www.hoe-veranstaltungen.de. Veranstaltungseinladungen erhalten Sie über den Newsletter.

Bericht: Dirk Filzek (House of Energy e.V.) und Jonas Wagner (Metropolregion Rhein Neckar)

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